Altes Handwerk
Die Vergolderin aus Emmen LU
Rumpelstilzchen konnte Stroh zu Gold spinnen? Nicht schlecht. Doch die Luzernerin Christine Hofer kann nahezu jedes Objekt vergolden. Sogar Engelsflügel.
Auch Engel haben irdische Sorgen: Sie altern. Vom Puttenpopo, und sei er noch so drall, blättert irgendwann die Farbe. Auf Stirn und Ärmchen zeigen sich Altersflecken, und die einst so gülden glänzenden Flügelchen erinnern nur mehr an ausrangiertes Altmetall. Doch anders als wir Menschen sind Engel in einer himmlischen Lage: Sie können sich glänzend runderneuern lassen. Wie der kleine aus Holz geschnitzte Gabriel, der rechtzeitig vor Weihnachten im Atelier Hofer in Emmen LU gelandet ist. Chefin Christine Hofer kennt sich mit bejahrten Engeln aus. Sie ist Meisterin im Vergolden und hat überdies eine Ausbildung als Kirchenrestauratorin gemacht. Ein guter Entscheid, wie sie heute weiss. Das Vergolden, sosehr sie es auch liebe, sei ein aussterbendes Handwerk. «Von ihm allein könnte ich heute nicht mehr existieren.» Schon vor über dreissig Jahren, als sie sich in den Beruf verliebte – ihr Schulweg hatte sie immer an einer kleinen Vergolderei vorbeigeführt –, waren die Lehrstellen so rar wie die ägyptischen Pyramiden. Nur mit Glück und Hartnäckigkeit fand sie einen Betrieb in Kriens, dessen Meister bereit war, sie auszubilden. Alles kam gut. Die Arbeit machte ihr Freude, und ihr erstes, 1993 in Luzern eröffnetes Atelier hatte auf Anhieb grossen Erfolg, bald einmal vier Angestellte und Kunden auf der ganzen Welt.
Jetzt glänzt er wieder: Mit einem Achatstein poliert Vergolderin Christine Hofer den mit Blattgold überzogenen Flügel. Herbert Zimmermann
Dann aber schwappte die «Geiz ist geil»-Welle auch auf ihre Gefilde über: Billigmöbelhäuser und Baumärkte boten Spiegel- und Bilderrahmen zu Schleuderpreisen an und entzogen den regionalen Handwerksbetrieben den viel zitierten goldenen Boden. Christine Hofer liess sich zum Glück nicht unterkriegen. Zusammen mit ihrem Lebenspartner, dem Gastronomen Heiri Michel, tüftelte sie an einem Konzept, das ihr ermöglichte, die Vorzüge ihres Handwerks besser sichtbar zu machen. Das Atelier in Luzern gab sie auf und richtete sich im «Rosstall» in Emmen ein, einem ehemaligen Stallgebäude am grünen Rand der Industriezone. Heute sind die dreihundert Quadratmeter grossen Räumlichkeiten ein beliebter Treff für Geniesser – mit Bar, Restaurant, Edelbrockenhaus und Werkstatt. Hier, mitten unter schlemmenden und «schnöigenden» Gästen, kann sie zeigen, dass ihr Handwerk alt, aber nicht veraltet ist.
Arbeit und Genuss unter einem Dach: Der «Rosstall» in Emmen ist Restaurant, Bar, Edelbrocki und die Bühne von Christine Hofer. Herbert Zimmermann
Sie schiesst ihn ganz schön an: Tatsächlich wird das Gold nicht aufgetragen, sondern angeschossen. Mit dem «Anschiesser», einem Pinsel aus Dachshaar. Herbert Zimmermann
Metall der Götter
Gerade jetzt, in der Vorweihnachtszeit, stehen die von ihr vergoldeten Geschenke bei den Gästen hoch im Kurs: Glückssäuli, Nüsse (nicht nur für Aschenbrödel), Kugeln, Sterne und «Bsetzisteine», damit man «lieben Menschen wieder einmal einen Stein in den Garten werfen kann», sagt sie und lacht. Der auf einer Tafel notierte Hinweis «Wir vergolden ihre Lieblingsstücke» ist ernst gemeint. Tatsächlich könne man jedes Objekt – «na ja, fast jedes» – mit dem «Metall der Götter» überziehen. Vorausgesetzt, man beherrscht die Kunst des «Anschiessens», wie der Profi sagt, wenn er das Anbringen des hauchdünnen Blattgolds meint.
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Text: Karin Oehmigen
Dieser Artikel erschien in der Schweizer LandLiebe #8 Festtagszauber 2020.