Einblicke ins Glück
Wildtierfreundlicher Naturgarten in Villnachern AG
Ein biodiverser Naturgarten muss nicht verwildert sein. Claudia Ebling hat in Villnachern AG für sich und ihre Familie ein üppig wildes, aber gepflegtes Paradies geschaffen, in dem viele einheimische Pflanzen und Tiere ein Zuhause finden.
Hier ist ganz schön was los an diesem sonnigen Nachmittag. Bienen summen, Hummeln brummen, und über Blüten und Blätter krabbeln bunt schillernde Käfer. Aus einem Gebüsch ist ein Rascheln zu hören – vielleicht eine Maus? Ein Igel? Währenddessen schaukelt ein farbenprächtiger Admiral elegant von einer Blume zur anderen und schmettert hoch oben auf einem Apfelbaum ein Rotkehlchen sein Mittagslied. Es klingt fast so, als würde es kichern. Grund dazu hätte es alleweil: In diesem üppigen Paradies voller Farben, Düfte, Formen, Licht und Leben kann man nicht anders als fröhlich sein und diese Wonne lachend besingen.
Ein metallisch schillernder Rosenkäfer kontrastiert mit einer Nachtviole. Stöh Grünig
Wertvolle Lebensräume
Schmiedin dieses Glücks ist Claudia Ebling. Sie hat die Wunderwelt aus Wiesen, Hecken, Bäumen, Blumen, Kräutern, Gräsern, einem Teich, lauschigen Nischen, romantischen Plätzchen, Mäuerchen, Skulpturen und allerlei Getier erschaffen.
Die 52-Jährige sitzt grad an einem Tischchen unter einer Rosen-Pergola, nimmt einen Schluck Kaffee und hält kurz inne. Aber wirklich nur einen Augenblick, denn – wie es den meisten Gärtnerinnen eigen ist – in der floralen Hochsaison kann sie nicht lange pausieren, nicht einfach dasitzen und nichts tun. «Ein Garten ist nie fertig», sagt sie denn auch. Kaum setze man sich hin, entdecke man irgendwo ein Kraut, das fehl am Platz sei, oder man erinnere sich an eine Arbeit, die man schon lange habe machen wollen.
Claudia Ebling hat eine Mission: mehr Natur in die Gärten bringen. Stöh Grünig
Romantisch: Blick von einem Gartenzimmer ins andere. Ramblerrosen ranken über einen Torbogen und schaffen einen natürlich verspielten Übergang. Stöh Grünig
«Ich verstand wenig vom Gärtnern»
Claudia Ebling liebt die Natur. Das war schon immer so. Als vor fünfzehn Jahren ihr Sohn Silvan geboren wurde und ihr Mann Stephan Wagner und sie in Villnachern AG ein Haus mit viel Umschwung kaufen konnten, war für die damalige hauswirtschaftliche Betriebs- und Personalleiterin schnell klar, dass sie fortan auch selber gärtnern und ihr Interesse an Pflanzen, Tieren, Naturschutz und ökologischen Zusammenhängen unter einen Hut bringen wollte. «Ich hatte nicht viel Ahnung, wusste kaum etwas über Pflanzen und verstand wenig vom Gärtnern, obwohl ich in einem Haus mit Garten aufgewachsen bin», blickt sie zurück. Es sei für sie trotzdem klar gewesen, auf dem damals verwilderten Areal mit Sommerflieder, Edelrosen und zahlreichen Sand- und Kiesplätzen, die den Vorbesitzern als Pferdekoppeln gedient hatten, einen Naturgarten anlegen und Lebensräume für einheimische Pflanzen und Tiere schaffen zu wollen.
Wildbienen-Nisthilfen werden heute nicht mehr wie hier zum Grandhotel vereint, sondern eher im Garten verteilt. Rechts ein Eidechsenhaufen. Stöh Grünig
Aus Fehlern lernen
Zuerst half ihr ein Gartenplaner. «Zudem kaufte ich Bücher und Heftli, probierte aus und machte Fehler», erinnert sie sich. Doch sie gab nicht auf, lernte autodidaktisch weiter, besuchte Kurse, traf Gleichgesinnte und eignete sich im Laufe der Jahre ein breites Wissen an. «Es hat mir den Ärmel total reingenommen», sagt sie. Diese Faszination liess sie 2013 die Bioterra-Kursleiterinnen-Ausbildung absolvieren und im Anschluss gleich auch noch den einjährigen Lehrgang «Naturnaher Garten- und Landschaftsbau» an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften, ZHAW, in Wädenswil. Zudem hängte sie danach die Ausbildung zur Erwachsenenbildnerin mit SVEB-Zertifikat als Kursleiterin an.
Inmitten von Blumen lässt sich wunderbar innehalten und kurz entspannen. Stets dabei ist auch Kater Nemo, der die Gesellschaft liebt. Auch wenn Kurse im Garten stattfinden, sucht er jeweils die Nähe der Menschen. Stöh Grünig
Kurse als Hilfe zur Selbsthilfe
Heute ist Claudia Ebling bei Bioterra – der Organisation für den Bio- und Naturgarten in der Schweiz – zuständig für just jenen Naturgarten-Lehrgang, den sie einst selber absolviert hatte, und unterrichtet mehrere Module. Und auch privat bietet sie in ihrem Paradies am Bözberg-Südfuss Kurse und Beratungen für Interessierte an, die ihren Garten naturnaher gestalten möchten, aber nicht wissen, wie das geht. «Ich möchte zeigen, welch vielfältige Gartenzimmer unterschiedlicher Grössen man anlegen kann. Denn naturnah zu gärtnern, ist keine Frage des Platzes. Lebensräume für Pflanzen und Tiere lassen sich bereits auf wenigen Quadratmetern schaffen», sagt sie. Hier eine Ecke mit Wildstauden, dort ein paar einheimische Sträucher, welche die Kirschlorbeerhecke ersetzen, da eine Miniblumenwiese statt des bisherigen Rasenblätzes und da zwischen Kleinstrukturen als Unterschlüpfe und Nistplätze für Tiere: «Habitate im kleinen Rahmen können überall kreiert werden, selbst auf dem Balkon. So betrachtet, sind meine Kurse eine Hilfe zur Selbsthilfe.»
Rund um den Teich wachsen einheimische Wasserpflanzen wie Wasserdost, Blutweiderich, Baldrian oder Mädesüss – alles hervorragende Insektenpflanzen. Im Weiher selber fühlen sich die Grossen Teichrosen sehr wohl. Stöh Grünig
Wissen, Können, Gespür
Von den erwähnten Gartenzimmern gibt es in Claudia Eblings Naturreich fürwahr eine Menge. Die Übergänge dazwischen sind fliessend, woraus ein Gesamtkunstwerk resultiert. Das liegt einerseits an der eindrücklichen Grösse (28 Aren) und Lage des Grundstücks (es geht auf zwei Seiten offen in Landwirtschaftsland über) und an der Struktur mit verschiedenen über Jahrzehnte gewachsenen Elementen wie Wildhecken oder dem Obstgarten mit wunderschönen Hochstammbäumen (Äpfel, Birnen, Kirschen, Zwetschgen, Mirabellen, Nüsse). Andererseits hat die Besitzerin neben ihrem Pflanzen- und Gärtnerwissen auch Gespür für Gestaltung und Ästhetik. So schuf sie zum Beispiel mit vorhandenen Kletterrosen und neu gepflanzten Wildrosen verwunschene Ecken, die das Herz verzaubern und berühren. «Selbstverständlich soll ein Garten schön aussehen und uns mit Blumen, Rückzugsorten und Schattenplätzen beglücken», bemerkt sie.
Die Jungfer im Grünen (Nigella damascena) ist eine filigrane Schönheit. Als Gartenpflanze ist sie pflegeleicht. Sie ist einjährig und versamt gut. Stöh Grünig
Förderung der Biodiversität
Gleichwohl gärtnere sie nicht in erster Linie fürs Auge, sondern wolle hauptsächlich Plattformen für Vögel, Insekten, Reptilien, Amphibien und Kleinsäuger schaffen. Ihr zentrales Thema – für ihren eigenen Garten wie auch in ihren Kursen – laute deshalb immer: Wie lässt sich noch mehr Vielfalt und noch mehr Natur rund ums Haus und in unsere Siedlungsräume bringen und damit die bedrohte Biodiversität fördern? «In den Beratungen und Kursen geht es als Erstes oft darum, den Irrglauben aus der Welt zu schaffen, dass ein Naturgarten überwuchert und verwildert sein muss», räumt sie ein und fügt an, dass Gärten durchaus formal schön gestaltet und ordentlich sein könnten und trotzdem wunderbare Refugien für Tiere und Pflanzen böten.
Text: Corinne Schlatter
Dieser Artikel erschien in der Schweizer LandLiebe #2 Mai/Juni 2019. Lesen Sie den ganzen Artikel im E-Paper.