Pflanzenvielfalt
Unter den Blütenwolken
«Ein Garten muss sich selber bilden», ist Toni Durrer überzeugt. Das üppige Wachstum in seinem ererbten und weiterentwickelten Familiengarten gibt ihm recht. Damit ihm das alles nicht wild über den Kopf wächst, greift er jedoch immer wieder mal ordnend ein.
Der Garten von Toni Durrer gehört zu denen, die man drei-, vier- oder fünfmal durchwandeln kann, und man hat doch immer noch das Gefühl, nicht einmal die Hälfte gesehen zu haben. Weil hier so vieles wächst, mal in Bodennähe blüht oder hoch oben in der Luft, dass man nie so recht weiss, ob man nun den Kopf senken oder heben muss, um ja nichts zu verpassen. Es ist der Garten seiner Kindheit. Der Garten, in dem schon seine Vorfahren gewirkt und gelebt haben, rund um ein stattliches altes Landammann-Haus aus dem 16. Jahrhundert mitten in Sarnen OW. Hier ist Toni Durrer zusammen mit seinen sechs Geschwistern aufgewachsen. Jedes Kind hatte ein Gemüsebeet und war stolz, wenn es die eigenen Kartoffeln aus der Erde graben konnte. Der Vater hatte im Erdgeschoss eine Arztpraxis, aus der Toni Durrer später – nach Studium und Lehrjahren in Bern und Zürich – eine Zahnarztpraxis machte.Vor vierzig Jahren übernahm Toni Durrer Haus und Garten und bestückte Letzteren mit noch mehr Pflanzen und Gehölzen. Denn er ist ein Pflanzenfreund, und je mehr verschiedene er hat, desto besser gefällt es ihm. Nicht nur eine grosse Vielfalt ist ihm wichtig, sondern auch, dass die Pflanzen so zusammengesetzt sind, dass sie als Gemeinschaft gut funktionieren. Einander nicht verdrängen, sondern neben- und miteinander existieren. «Ein Garten muss sich selber bilden wie Wein», sagt der Sarner.
Im Gartenteil neben dem Haus stehen jetzt im Frühling viele Magnolien in voller Blüte. Mehr als zwanzig Sorten sind es, die auf dem verwunschenen Areal gedeihen. Stöh Grünig
IMPROVISIEREN IM GARTEN
Dass hier jemand lebt, der den Pflanzen gerne auch Freiheiten zugesteht, wird schon deutlich, wenn man das schmiedeeiserne Tor aufstösst und das Anwesen betritt. Der Frühling kommt bald; mehr als zwanzig verschiedene Magnolien und Japanische Blütenkirschen blühen bereits. Und wie! Bunte Wolken in Weiss und Rosa umgeben das Haus. Einige Äste reichen bis zum Boden, andere strecken sich weit in die Höhe. «Ich lasse Pflanzen gerne wachsen», führt Durrer aus, und man merkt es gleich selbst, wenn man durch den Garten streift und zwischendurch ein Ästchen zur Seite schieben muss. Nebst den Magnolien trifft man auch auf viele andere Gehölze, darunter einige grosse Laub- und Nadelbäume an der Nordseite des Grundstücks. Unterpflanzt hat er die schattigen Bereiche mit Rudbeckien, Silberkerzen, Astilben, Rodgersia und Farnen. In einer Ecke, in der zu diesem Zeitpunkt im Jahr noch nicht viel zu sehen ist, befindet sich zudem eine kleine Orchideensammlung, die er zusammen mit einem Freund und Orchideen-Experten angelegt hat. Toni Durrer mag das Wilde, das Exotische und das Improvisieren im Garten. «Man muss doch ein bisschen was probieren», sagt er. Tatsächlich staunt man alle paar Meter ob Gewächsen, die einem selten in Gärten begegnen. Die Scheinkalla streckt gerade ihre kolbenartigen Blüten in die Frühlingssonne. Noch gut mit Laub eingepackt, aber bereits aus der Winterstarre erwacht, ist die Gunnera, auch Mammutblatt genannt, die ihre ersten Triebe ausrollt, aus denen später riesige Blätter werden. In Töpfen vor allem auf der Südseite des Hauses kündigen die kräftigen Austriebe vieler Lilien an, wie schön es hier im Garten sein wird, wenn sie im Juni blühen. Die Lilien gehören neben den Magnolien zu Toni Durrers Lieblingen, genauso wie die Päonien oder die Iris, von denen er kleine Sammlungen angelegt hat. Auch Sukkulenten hat er eine stattliche Zahl, es ist ein Erbe seiner Mutter, das er weiterpflegt. Mittlerweile sind die stachligen Gesellen so gross geworden, dass man sich im Gewächshaus, in dem sie untergebracht sind, kaum mehr bewegen kann.
Toni Durrer gesteht den Pflanzen gern auch Freiheiten zu. Hier im Gewächshaus sind die von der Mutter geerbten Sukkulenten und Kakteen aber so gross geworden, dass man sich kaum noch bewegen kann. Stöh Grünig
PLATZ SCHAFFEN FÜR NEUES
Doch auch wenn er die Pflanzen am liebsten wachsen lässt, muss Durrer in seinem Garten zwischendurch eingreifen.
Text Sarah Fasolin Fotos Stöh Grünig
Dieser Artikel erschien in der Schweizer LandLiebe #1 März/April 2019. Lesen Sie die ganze Geschichte im E-Paper.