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Spiel ohne Grenzen

Wenn Katharina Haller Farben und Formen kombiniert, gibt es keine Tabus. Aber die Ansprüche sind hoch: Ästhetisch und stimmungsvoll sollen die Pflanzenbilder in ihrem Garten in Kaltenbach TG sein.

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Kleine Beete sind Katharina Hallers Sache nicht: Sie bepflanzt lange Böschungen, die in die umliegende Landschaft übergehen.

Es gibt sie immer wieder, die Momente, die Tage, an denen sie vom Garten verschluckt wird. Wenn Katharina Haller nur mal schnell etwas jäten will, dann zwischen den Pflanzen da noch etwas zu erledigen sieht und dort noch … und ein paar Stunden später feststellt, dass sie ja eigentlich noch ganz andere Pläne gehabt hätte an diesem Tag. Aber würde man die Gärtnerin beobachten in diesen Stunden, in denen sie sich im Garten verliert, dann würde man sie nicht nur arbeiten sehen. Nein, manchmal hält sie inne, lässt den Blick eine Weile durch den Garten schweifen, schaut, was ihre Pflanzen so machen. Und denkt nach, wie sie die Bilder, die sie sieht, weiterentwickeln könnte.

Katharina Haller und ihr Garten – die beiden gehören zusammen, fast symbiotisch. Der Garten wäre ohne sie nicht der, der er ist. Und sie nicht die, die sie ist, ohne ihren Garten. Sie – die ehemalige Zeichnungslehrerin, Künstlerin und Gestalterin. Der Garten – entstanden hinter einer alten Mühle im thurgauischen Kaltenbach, einem Ort, an dem schon viele Menschen ihre Spuren hinterlassen haben, im Garten aber wohl noch keiner so tiefe wie Katharina Haller.

Man lernt diesen Garten nicht auf einen Blick kennen, er ist verwinkelt und grösstenteils am Hang. Man durchstreift und durchsteigt ihn vielmehr und kommt so seiner Geschichte mit jedem Schritt ein Stück näher. Der Anfang liegt gleich hinter dem Wohnteil der alten Mühle: der ehemalige Gemüsegarten, von einem alten Zaun umfriedet. Hier lässt sich eindrücklich sehen, was grosse Gartenleidenschaft mitunter bewirken kann. Dieser kleine Gemüsegarten war schon da, als Katharina Haller die Mühle mit ihrem – mittlerweile verstorbenen – Mann vor fast dreissig Jahren übernahm.

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In ihrem Paradies vergisst sie gerne die Zeit: Katharina Haller vor dem Schattenbeet, das sie so dicht bepflanzt hat, dass es nur selten etwas zu jäten gibt.

Hier fing sie an zu gärtnern: pflanzte Gemüse, säte Sommerflor, setzte Beerenstöcke und dazwischen ein paar Stauden. Dazu muss man wissen: Katharina Haller, im Aargau in einfachen bäuerlichen Verhältnissen aufgewachsen, hat schon immer gegärtnert – wo auch immer sie mit ihrem Mann, dem Künstler Beat Ermatinger, und der gemeinsamen Tochter lebte. Die Mühle hatten sie gekauft, um auf dem dazugehörigen Landwirtschaftsland Samenbau zu betreiben – was sie wegen des enormen Arbeitsaufwands irgendwann wieder aufgeben mussten, um sich ihren Lebensunterhalt anderweitig zu verdienen: Katharina Haller als Zeichnungslehrerin, Beat Ermatinger als Künstler. Aber die Freude am Gemüseanbau, die Liebe zu den Pflanzen – sie war immer da und fand irgendwann nicht mehr genügend Platz in diesem Gartenviereck gleich hinter der Mühle. «Mein Mann schlug vor, dass wir den Maschendrahtzaun einfach aufschneiden und den Garten nach hinten vergrössern», erzählt sie. So durchtrennten sie den Zaun, und mit jedem Meter, den der Garten nun wachsen konnte, wuchs auch Katharina Hallers Gartenleidenschaft. Vor allem erwachte in ihr eine grenzenlose Freude am Gestalten mit Stauden.

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Durch die grossen Fensterfronten wie hier in der Küche sind Garten und Haus miteinander verbunden.

In vielen Dimensionen denken

Und damit war sie mittendrin in der Königsdisziplin der Gartengestaltung. Das Anlegen von attraktiven Staudenbeeten ist eine Kunst. Dass es gelingen kann, hatte Katharina Haller bei ihrer Nachbarin gesehen, die entlang des Mühlbachs sorgfältig gestaltete und hübsche Rabatten angelegt hatte. Damit Staudenflächen harmonisch und ansprechend aussehen, braucht es jedoch viel Wissen über Pflanzen, deren Bedürfnisse, den Standort. Gleichzeitig muss man in verschiedenen Dimensionen denken. Einerseits in der zeitlichen: Was blüht wann womit, und wie wirkt es zusammen? Was folgt anschliessend? Andererseits in der räumlichen: Wie und wo müssen die Pflanzen gesetzt werden, damit sie zusammen eine attraktive Textur bilden, sich nicht verdecken, sondern gegenseitig zur Geltung bringen?

Katharina Haller war fasziniert – in der Theorie durch die Lektüre einiger Bücher wie in der Praxis, indem sie einfach anfing und pflanzte, schaute, beobachtete, umsetzte, stets mit weiteren Stauden ergänzte. Und so ging es weiter hinter dem durchgetrennten Maschendrahtzaun, unter einem alten Zwetschgenbaum durch, zur Linken weiter den Hang hinauf und geradeaus Richtung Landwirtschaftsland. Zur Rechten begrenzt ein Weg den Garten. Wer durch diese Gartenbilder schlendert, stellt bei genauem Hinschauen die Entwicklung der Gestalterin fest. Zu Beginn, gleich hinter dem Zaun, setzte sie die Stauden noch eher zufällig und platzierte immer mal wieder um. Je grösser ihr Garten wurde, je mehr Erfahrung sie hatte, desto harmonischer wirkt das Zusammenspiel der Stauden. Farblich klammerte sie sich an kein fixes Konzept. «Für mich gibt es keine No-Gos, die Farben müssen einfach gut zusammenpassen.» Sie habe es sehr gern komplementär und sei in den meisten Fällen auch tolerant. «Es ist aber auch schon vorgekommen, dass ich einen roten Mohn neben einer pastellfarbenen Blume abzupfte, weil das Bild einfach nicht gut aussah.»

Text Sarah Fasolin Fotos Nadja Athanasiou

Diese Reportage erschien in der Schweizer LandLiebe #4_5/2023. Lesen Sie den ganzen Artikel im E-Paper.

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