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Garten der Zukunft

Viel soll angebaut und geerntet werden. Schliesslich gilt es, fast fünfzig Menschen zu versorgen. Die Betreiberinnen und Betreiber des Permakulturgartens auf Schloss Glarisegg in Steckborn TG am Bodensee aber wollen weit mehr.

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Der Tag erwacht, der Boden ist trocken. Der Garten beim Schloss Glarisegg ist so angelegt, dass möglichst wenig gegossen werden muss. Ganz ohne geht es nicht – Gartenleiterin Lisa Buzzi hilft nach.

Hilde, Oskar, Berta und Zora watscheln fröhlich schnatternd durch das Gras. Soeben haben sie ein paar Runden auf dem Teich gedreht, jetzt gehts auf Erkundungstour durch den Garten. Die Indischen Laufenten gehören zum Gartenteam auf Schloss Glarisegg. Ihre Aufgabe: die Schnecken fressen. Das tun sie. Und sie tragen mit ihrem fröhlichen Wesen zur guten Stimmung bei. Hilde, Oskar, Berta und Zora sind ein gutes Beispiel für die Philosophie dieses Gartens. Hier wird zwar die Selbstversorgung der Lebensgemeinschaft im Schloss angestrebt. Gleichzeitig sollen aber auch Menschen und Tiere nebeneinanderleben, ökologische Kreisläufe sich schliessen und Soziales und Gärtnerisches miteinander einhergehen.

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Die Gemeinschaft Schloss Glarisegg lebt und wirkt im über zweihundertfünfzig Jahre alten Schloss und den dazugehörenden Nebengebäuden. Nebst dem Garten betreibt sie eine eigene Schule und ein Seminarzentrum.

Voneinander lernen

In diesem Garten hat also nichts nur einen Zweck oder ein Ziel. Es wird nicht nur gejätet und gesetzt, es soll auch ein Ort sein, an dem man voneinander lernt und die Gemeinschaft pflegt. Ganz nach den ethischen Grundsätzen der Permakultur, die sich wie folgt zusammenfassen lassen: «Sorge für die Menschen, sorge für die Erde, sorge für die Zukunft».

Noch bevor am Morgen jemand ein Werkzeug in die Hand nimmt, setzt sich die Gartengruppe zusammen und tauscht sich aus. «Wenn mir einer erzählt, er habe schlecht geschlafen, weil ihn etwas sehr beschäftige, dann frage ich mich später am Tag nicht, wieso er nicht so viel leistet wie an anderen Tagen», sagt Lisa Buzzi, Leiterin des Gartens. «Dann kann ich es einordnen und gehe anders mit ihm um.»

Lisa Buzzi und Wolfgang Griss arbeiten in einem festen Arbeitsverhältnis für diesen Garten. Die Sozialanthropologin und der pensionierte Handwerker haben von der Gemeinschaft Schloss Glarisegg den Auftrag, möglichst viel anzupflanzen für die vierunddreissig Erwachsenen und vierzehn Kinder, die im Schloss und in den dazugehörenden Gebäuden leben. Weil dies zu zweit kaum möglich ist, suchen sie jede Saison über den Europäischen Freiwilligendienst EVS zwei Freiwillige.

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Viel Licht und Luft – so gefällt es den Chilis im Geodom-Gewächshaus. Ein Volontär hat dieses während eines Sommers selber gebaut.

Pflege des Bodens – das A und O

Zu tun gibt es stets genug, denn die siebentausend Quadratmeter werden möglichst ohne Maschinen und nur von Hand bearbeitet, da der Boden geschont und keine Emissionen erzeugt werden sollen. Alles, was gejätet oder geschnitten wird, bleibt an Ort und wird kompostiert, damit die Nährstoffe später wieder dem Boden zugeführt werden können. Die Pflege des Bodens hat einen hohen Stellenwert: Mit selbst hergestellter Pflanzenkohle und selbst vermehrten Mikroorganismen erhält das Team die Fruchtbarkeit des Bodens. Gedüngt wird mit natürlichen Mitteln wie Schafwolle oder Pflanzenjauchen. Nackte Erde ist nirgends zu sehen – es wird gemulcht, um die Feuchtigkeit im Boden zu halten und den Bodenlebewesen Nahrung zu verschaffen.

Um die Saison zu verlängern, werden ein Folientunnel, ein aus alten Fensterscheiben gebautes Gewächshaus und ein Geodom genutzt. Das kuppelförmige Gewächshaus aus Holz und Plastikfolie ist aufgrund seiner Bauweise sehr stabil und schafft bei Licht und Luft optimale Bedingungen für die Pflanzen. «Das Geodom bewährt sich und hat gerade wegen seiner Form das manchmal stürmische Wetter hier am See bis jetzt unbeschadet überstanden», erklärt Lisa Buzzi. Derzeit wachsen Chilis in verschiedenen Sorten unter dem Kuppeldach. Chilis sind in der Lebensgemeinschaft beliebt, wie auch Tomaten und Gurken. «Davon haben wir nie zu viel, egal, wie viel wir anbauen», sagt Wolfgang Griss, der seit vier Jahren im Schloss lebt und arbeitet. Als sie hingegen einmal Pak Choi angebaut hätten, sei dieser «nicht der Renner gewesen», erinnert er sich. «Auch Rettich ist nicht besonders gefragt.» Um den anderen den Vortritt zu lassen, erntet das Gartenteam selbst deshalb vor allem das Gemüse, das sonst wenig Abnehmer findet.

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In der Gartenküche wird jeden Tag für alle gekocht. Immer frisch aus dem Gemüsebeet – oft auch «Ladenhüter». Heute hat Wolfgang Griss Küchendienst.

Mitmachtag für alle

Die Leute aus der Lebensgemeinschaft dürfen im Garten selber ernten, sobald vor dem Gemüse das entsprechende Schild aufgehängt ist. Rot heisst, bitte noch warten. Grün: Jetzt darfst du. Ein Blick auf die Anbauliste und den Tisch mit der reichen Ernte zeigt: Die Vielfalt ist gross. Verschiedenste Früchte, Kräuter, Gemüse, ja sogar Pilze werden gezogen. «Wir empfinden es jedes Jahr als ein Wunder, was für eine Fülle da ist», sagt Lisa Buzzi.

Eine junge Frau mit Löcherbecken und Messer taucht im Garten auf, spaziert zwischen den Beeten hindurch, schneidet Salat und zupft ein paar essbare Blüten ab. Wie herrlich, denkt man, einen riesigen Gemüsegarten vor dem Haus zu haben, in dem man einfach ernten kann. Die Menschen in der Lebensgemeinschaft gehen verschiedenen Tätigkeiten nach. Sie betreiben etwa die Akademie für Gemeinschaftsbildung mit verschiedenen Angeboten zu einem erfolgreichen Zusammenleben, ebenso eine eigene Schule. Damit sie trotzdem einen Bezug zum Garten haben und auch mal grössere Ideen realisiert werden können, findet einmal im Monat ein Mitmachtag für alle statt.

Text Sarah Fasolin Fotos Stefan Walter

Diese Reportage erschien in der Schweizer LandLiebe #6/2023. Lesen Sie den ganzen Artikel im E-Paper.

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