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Porträt

Geranium für immer

Manfred Wyss kultiviert Hunderte Sorten der treu blühenden Lieblings-Balkonpflanze der Schweizerinnen und Schweizer. In seiner Gärtnerei sammelt und vermehrt er Geranien und Pelargonien, seine Frau – unsere Fotografin – setzt sie zauberhaft in Szene.

Geranien
Das Pelargonium zonale ‚Diana Palmer‘ hat gefüllte Blüten. Andere Sorten haben einfache Blüten, wachsen aufrecht oder hängend. Mit grünem oder rotem Laub.

Wer eine Pflanze wirklich schätzt, der kann warten. Warten, bis sie endlich blüht. Auch wenn es Jahre dauert. Auch wenn es dann nur eine einzige Blüte ist. Manfred Wyss hat drei Jahre gewartet, bis sein Pelargonium caylae die erste Blüte entfaltet hat. «Der Hammer» sei es gewesen, sagt er, den Topf mit der Pflanze in der Hand, die zu diesem Zeitpunkt ist wie meistens: einfach grün.

Geranien

Geranien lassen sich stimmungsvoll inszenieren. Hinten im Topf blüht eine Stellarpelargonie der Sorte ‚Fresh Water‘ mit sternförmigen Blüten, vorne die grossblütige Zonarticpelargonie ‚Orinoco‘.

340 Arten und Sorten

Manfred Wyss steht in einem Gewächshaus in seiner kleinen Gärtnerei im luzernischen Zell. Um ihn herum blüht es in allen Rosa- und Lilatönen, auch in Weiss und Grün und sogar in fast Schwarz: das Farbenspektakel seiner rund dreihundertvierzig Geranienarten und -sorten. Er greift nach einem weiteren Topf, dem Pelargonium incarnatum, ebenfalls keines, das mit Blütenreichtum auftrumpfen kann. Es ist nicht nur schwierig in der Pflege, sondern schenkt einem nur gerade zwei bis drei Blüten – im Jahr. Aber die Leidenschaft des Gärtners für Geranien respektive Pelargonien, wie sie botanisch korrekt heissen, gründet nicht im Blütenspektakel allein. Vielmehr fasziniert ihn die grosse Vielfalt, die diese Gattung zu bieten hat. Einige wachsen hängend, andere aufrecht. Einige duften (und wie!), andere haben panaschierte, geschlitzte, behaarte oder nadelförmige Blätter. Es gibt welche, die werden riesig, bis zu drei Meter hoch. Es gibt die Rosenblütigen und die Tulpenblütigen. Es gibt die Gichtpelargonie, die in ihren Trieben Wasser einlagert. Manfred Wyss hat von allen Arten und Sorten mindestens ein paar und insgesamt mehrere Tausend Töpfe. Ob er nun vom ‚Sugar Baby‘ spricht, einer für Balkonkisten sehr beliebten Sorte, oder von dem weniger bekannten Pelargonium ionidiflorum («Fantastisch, diese sternförmige Blüte, dieses Gesichtchen und der luftige Aufbau!») – in jedem Satz steckt Begeisterung.

Geranien

Wo gehts da wohl hin? Blick in die Gärtnerei, in der man nie so genau weiss, wohin der Weg führt. Aber überall anzutreffen: Geranien.

Nachschub aus Südafrika

Über Vereine und Facebook-Gruppen ist Manfred Wyss in der Schweiz und weltweit mit anderen Pelargonienfans in Kontakt. Auch bei dreihundertvierzig Arten und Sorten geht das Sammeln weiter. Für den Nachschub besonders wichtig ist eine Kollegin, die regelmässig nach Südafrika reist und ihm jedes Mal neue Pflanzen mitbringt. Nirgendwo wachsen in der Natur so viele Geranien wie dort, wo man sie in kargen Gebieten findet, in denen es nur selten regnet. Es ist diese Fähigkeit, mit wenig Wasser auszukommen und trotzdem zu blühen, welche die Geranien zu den beliebten Balkonpflanzen gemacht hat, die sie heute sind. Aus den rund zweihundertachtzig existierenden Wildarten wurden unzählige Sorten gezüchtet, die von Mai bis Oktober das Fensterbrett schmücken. Vom Stadthaus bis zur Alphütte sieht man sie blühen in schönstem Schweizerfahnenrot.

Geranien

Barbara Hodel Wyss und Manfred Wyss sind ein eingespieltes Team: Er zieht die Geranien, sie gestaltet mit den Blüten stilvolle Dekorationen.

Wann genau die ersten Geranien in der Schweiz angekommen sind, ist nicht bekannt. Im 1715 erschienenen Buch «Eydgnössischer Lust-Garte» des Zürcher Chirurgen Johann von Muralt findet sich der erste Hinweis, dass Geranien auch in Schweizer Gärten Einzug gehalten haben. Der eigentliche Durchbruch als Zierpflanze gelang zu Beginn des neunzehnten Jahrhunderts, als reich blühende, robuste Sorten mit intensiven Farben auf den Markt kamen, wie Luc Lienhard und Beat Hächler im Buch «Unser Geranium» schreiben. Erst konnten es sich vor allem Gutbetuchte leisten, mit Geranien ihre Anwesen zu schmücken. Doch da sich die Pflanzen leicht vermehren lassen, durften Bedienstete Stecklinge mit nach Hause nehmen – so fanden immer mehr Geranien den Weg aufs Land. Verschönerungsvereine förderten den attraktiven Blumenschmuck in Stadt und Land, um der wachsenden Zahl von Touristen schöne Kulissen zu bieten. Schon bald gehörte das Geranium zur Schweiz wie der Alpkäse und das Alphorn. In Bern findet seit 1957 jedes Jahr ein spezieller «Graniummärit» statt. Auch Schweizer Gärtner züchteten neue Sorten, etwa die «Säntis», die «Rigi», die «Stadt Bern» oder die «Schöne von Grenchen».

Text Sarah Fasolin Fotos Nadja Athanasiou

Diese Reportage erschien in der Schweizer LandLiebe #3 Frühling 2022. Lesen Sie die ganze Geschichte im E-Paper.