Tradition im Advent
Zarte Blüten zum Fest
Am 4. Dezember ist Barbaratag. Wer dann Kirschbaumzweige schneidet und sie in die Stube stellt, darf sich an Weihnachten über winterliche Blüten und Glücksverheissungen fürs neue Jahr freuen. Der Brauch geht auf die Legende der heiligen Barbara zurück, eine christliche Märtyrerin im dritten Jahrhundert.

Kalt ists an diesem Morgen, tags zuvor hat es sogar bis in tiefe Lagen geschneit. Selbst im Fricktal AG, wo viele Dörfer nur grad auf dreihundert Metern über Meer liegen, reduziert das Schäumchen Weiss die Welt auf Kontraste. Dunkel ragt der Wald in den Himmel, und die kargen Äste der Obstbäume zeichnen skurrile Formen ins schier unendliche Grau.

Der Fricktaler Landwirt Beat Schwarb pflegt in Eiken AG einen Obstgarten mit Kirsch-, Apfel-, Zwetschgen- und anderen Obstbäumen. Hier zeigt er Enkelin Moira, wie man Barbarazweige richtig abschneidet. Nadja Athanasiou
Legende um eine Märtyrerin
Ein Samstag im Advent, genau genommen der Morgen des 4. Dezembers, des sogenannten Barbaratags. Wer an diesem Gedenktag der heiligen Barbara Kirschbaumzweige schneidet und sie ins Haus holt, kann sich an Weihnachten über Blüten freuen. So jedenfalls besagt es die Legende, die auf Barbara von Nikomedien zurückgeht. Laut Überlieferung lebte die junge Frau im dritten Jahrhundert im kleinasiatischen Nikomedia, dem heutigen İzmit in der Türkei. Barbara nahm damals den christlichen Glauben an und weigerte sich, ihre jungfräuliche Hingabe an Gott aufzugeben. Dies hat ihren Vater offenbar derart erzürnt, dass er sie in den Kerker werfen liess. Dort entdeckte Barbara einen Kirschzweig, der sich in ihrem Kleid verfangen hatte. Sie stellte den Ast in ein Gefäss mit Wasser, und er blühte – obwohl es Winter war – just am Tag, an dem sie hingerichtet werden sollte. Die Frau deutete dies als Zeichen des Himmels, ihren Vater derweil, der sie selber enthauptete, bestrafte Gott mit einem tödlichen Blitz. Seit dem Byzantinischen Reich im siebten Jahrhundert verehren die Menschen die heilige Barbara als Märtyrerin – ein Kult, der im Spätmittelalter immer grössere Popularität bekam, vor allem in Frankreich. Barbara ist bis heute Schutzpatronin der Bergleute, Artilleristen, Maurer, Zimmerleute und Glockengiesser, und sie gilt als Symbol der Wehr-und Standhaftigkeit im Glauben.

Barbarazweige schneidet man traditionell von Kirschbäumen. Gut eignen sich aber auch andere Obstbäume wie Birnen (im Bild), Pflaumen, Zwetschgen oder Ziergehölze wie Forsythien oder Zaubernüsse. Nadja Athanasiou
Winterliche Schnittarbeiten
Im Volksglauben fasziniert freilich vor allem das schöne Motiv des an Weihnachten blühenden Kirschzweigs. Daraus hat sich im Lauf der Jahrhunderte die Tradition entwickelt, am 4. Dezember Kirsch-oder auch andere Zweige zu schneiden und ins Haus zu nehmen. Genau dies wollen Manuela Schmid und ihr Lebenspartner Neal Grammer Taylor zusammen mit ihren Kindern Gil, Luana und Moira an diesem kühlen Wintermorgen tun. Dank Manuelas Vater Beat Schwarb sind sie sozusagen «an der Quelle», besitzt und pflegt der pensionierte Fricktaler Landwirt doch einen prächtigen Obstgarten mit über zweihundert alten und jungen Kirsch-, Zwetschgen-, Apfel-und Birnbäumen. Damit die Bäume gesund und kräftig bleiben und im Frühling wieder vital austreiben, muss er sie regelmässig zurückschneiden. Wie an anderen Wintertagen ist Schwarb auch an diesem Samstag an der Arbeit, stutzt fachmännisch Baum für Baum. Seine Familie hat es dadurch leicht und kann aus dem Schnittgut die schönsten Zweige auslesen. «Wer keinen Garten mit Obstbäumen oder Ziergehölzen hat, darf natürlich nicht einfach an fremden Bäumen Äste abschneiden», erklärt Schwarb. «Ab November nehmen jedoch viele Gärtner, Bauern und Baumbesitzer Schnittarbeiten vor, auch in den Städten. Man kann sie jederzeit fragen, ob man einige Zweige mitnehmen darf.»

Bauer Beat Schwarb (rechts, auf der Leiter) schneidet einen seiner Kirschbäume zurück. Schwiegersohn Neal und Enkel Gil (auf der Leiter in der Mitte) assistieren ihm, Tochter Manuela und die Enkelinnen Luana (rechts) und Moira sammeln die geschnittenen Zweige ein. Nadja Athanasiou
Text Corinne Schlatter Fotos Nadja Athanasiou
Dieser Artikel erschien in der Schweizer LandLiebe #8 Festtagszauber 2021. Lesen Sie den ganzen Artikel im E-Paper.